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Beitrag vom 21.01.2016
Filmrückblick 2015 - Das Jahr der Frauen - Ein Resümee von AVIVA-Berlin
AVIVA-Redaktion
Frauen und ihre Schicksale haben 2015 für Diskussionsstoff und Inspirationen in den Kinosälen gesorgt. Viele Filme beschäftigen sich mit Frauen, die ihren Weg gehen, im privaten wie im öffentlichen Bereich, als Wissenschaftlerin, als Künstlerin...
... als Lehrerin, oder als Unternehmerin.
So verschieden wie die Frauen selbst waren auch die Filme: Es gab Literaturverfilmungen, Dokumentationen, Komödien und Dramen. Junge Regisseurinnen haben ebenso wie preisgekrönte Kinoveteraninnen zu diesem Thema einen Beitrag geliefert.
Eine Auswahl von Filmen von und über Frauen auf AVIVA-Berlin.
Joy - Alles außer gewöhnlich
"Joy - Alles außer gewöhnlich" ist die Lebensgeschichte der amerikanischen Erfinderin und Unternehmerin Joy Mangano. In vier Stationen erzählt der Film, wie aus dem Mädchen aus einfachen Verhältnissen und der alleinerziehenden Mutter zweier Kinder eine erfolgreiche Unternehmerin wird. Der Weg ist nicht einfach, und so erlebt Joy ein Wechselbad der Gefühle sowohl im privaten wie auch im geschäftlichen Bereich. Nach zahlreichen Rückschlägen schafft sie schließlich ihren Durchbruch.
Mit Darsteller_innen wie Jennifer Lawrence, Robert de Niro und Isabella Rossellini ist die Tragikomödie von David O. Russell hochkarätig besetzt. Bei den Golden Globes wurde der Film für die Kategorie Beste Komödie/Bestes Musical sowie Jennifer Lawrence für die beste Darstellerin nominiert.
Erscheinungsdatum: 31.12.2015 (USA)
Regie: David O. Russell
In den Hauptrollen: Jennifer Lawrence, Robert De Niro, Bradley Cooper
Laufzeit: 123 Minuten
Genre: Dokumentarfilm
IMDb: 6,7/10
www.fox.de/joy-2015
Malala - Ihr Recht auf Bildung
Der Film "Malala - Ihr Recht auf Bildung" ist eine autobiografische Dokumentation über die jüngste Friedensnobelpreisträgerin der Welt. Er stellt die junge Frau in ihrem heutigen Umfeld dar und erzählt die Geschichte, die Malala weltberühmt gemacht hat: Die Tochter eines Schuldirektors im pakistanischen Swat-Tal, die zunächst mit einem Alias über die Bildungsrechte von Mädchen bloggte, von den Taliban identifiziert und niedergeschossen wurde, bis hin zu ihrer berühmten Rede vor den Vereinten Nationen.
Für den Film begleitete Oscarpreisträger Davis Guggenheim Malala und ihre Familie über ein Jahr lang mit der Kamera. Durch die Mischung aus aktuellen Filmaufnahmen, Interviews und Rückblenden gelingt ein sehenswertes, authentisches Porträt. Malala ist heute eine weltweit tätige Aktivistin und Mitgründerin des malala.org.
Erscheinungsdatum: 22.10.2015 (USA)
Regie: Davis Guggenheim
In den Hauptrollen: Malala Yousafzai
Laufzeit: 87 Minuten
Genre: Dokumentarfilm
IMDb: 6,2/10
www.fox.de/he-named-me-malala
Carol
"Carol" ist die Verfilmung des Romans "Salz und sein Preis" von Patricia Highsmith. Im Mittelpunkt steht die lesbische Beziehung zwischen Carol, einer verheirateten Mutter aus gehobenen Kreisen, mit Therese, einer jungen Frau, die gerade versucht, in New York beruflich Fuß zu fassen. Der Film ist eine berührende und facettenreiche Erzählung von der Liebe zweier sehr unterschiedlicher Frauen im Amerika der 50er Jahre, in dem Homosexualität als unmoralisch und krankhaft gebrandmarkt wurde.
Todd Haynes verfilmte Patricia Highsmiths Roman mit Oscarpreisträgerin Cate Blanchett in der Hauptrolle und Rooney Mara als Therese. Diese wurde in Cannes als beste Darstellerin ausgezeichnet. Bei den Golden Globes gab es mehrere Nominierungen, unter anderem für die Darstellerinnen und die beste Regie. Zudem zählt "Carol" bereits jetzt zu den besten Filmdramen.
Erscheinungsdatum: 17. Dezember 2015 (Frankreich/Großbritannien/USA)
Regie: Todd Haynes
In den Hauptrollen: Cate Blanchett, Rooney Mara, Sarah Paulson
Laufzeit: 119 Minuten
Genre: Drama, Romanze
IMDb: 7,6/10
Zur Filmwebseite: www.carol-film.de
Amy
"Amy" ist eine bewegende posthume Dokumentation über das Leben und die kurze Karriere der weltweit bekannten Künstlerin Amy Winehouse. Die Reportage verwendet bisher unveröffentlichte Aufnahmen sowie unbekanntes Film- und Archivmaterial, um die Sängerin zu porträtieren und sie selbst noch einmal zu Wort kommen zu lassen. Ergänzt werden die Bilder durch die Kommentare von Familie, Freund_innen und Kolleg_innen.
Erscheinungsdatum: 16.07.2015 (Großbritannien)
Regie: Asif Kapadia
In den Hauptrollen: Amy Winehouse, Mark Ronson, Peter Doherty, Mos Def, Yasiin Bey
Laufzeit: 122 Minuten
Genre: Dokumentarfilm, Musikfilm, Zeitgeschichte
IMDb: 6,2/10
Zur Filmwebseite: www.amy-derfilm.de
Königin der Wüste
In der Filmbiografie "Königin der Wüste" zeichnet Werner Herzog das Leben der britischen Historikerin, Archäologin und Spionin Gertrude Bell nach. Diese außergewöhnliche Frau, die im 19. und 20. Jahrhundert den Nahen Osten bereiste, ihre Reiseerfahrungen ausführlich dokumentierte und auch im Dienst des britischen Geheimdiensts stand, war zu ihrer Zeit ebenso bekannt wie ihr Landsmann Lawrence von Arabien. Der Film erzählt in faszinierenden Bildern die Geschichte dieser starken Frau, deren Intelligenz, Fachkenntnis und Entschlossenheit ihre Zeitgenoss_innen sowohl bewunderten als auch fürchteten.
Nicole Kidman, die 2003 einen Oscar erhielt, ist als feminine und selbstbewusste Gertrude Bell zu sehen.
Erscheinungsdatum: 03.09.2015 (USA, Marokko)
Regie: Werner Herzog
In den Hauptrollen: Nicole Kidman, Robert Pattinson, James Franco
Laufzeit: 129 Minuten
Genre: Biografie, Drama
IMDb: 6,1/10
Zur Filmwebseite: www.koenigin-der-wueste.de
Mia Madre
"Mia Madre" ist ein ebenso nachdenklicher wie turbulenter Film über die Filmregisseurin Margherita, deren Leben aus den Fugen gerät. Am Set ihres neuen Films läuft alles anders als geplant, die Beziehung ist zerbrochen und das Verhältnis zu ihrer Tochter angespannt. Der schlimmste Schicksalsschlag ist jedoch die schwere Krankheit ihrer Mutter, die im Krankenhaus im Sterben liegt. Ihr Bruder kümmert sich liebevoll um sie, während Margherita schuldbewusst ihren Film dreht.
Margherita Buy, eine der bekanntesten und beliebtesten italienischen Schauspielerinnen, porträtiert die ebenso temperamentvolle wie selbstbezogene Regisseurin Margherita.
Erscheinungsdatum: 19.11.2015 (Italien, Frankreich)
Regie: Nanni Moretti
In den Hauptrollen: Margherita Buy, John Turturro, Giulia Lazzarini
Laufzeit: 107 Minuten
Genre: Drama, Komödie
IMDb: 7,0/10
Zur Filmwebseite: www.miamadre-film.de
Tig
"Tig" ist ein Dokumentarfilm über das Leben und die Karriere der amerikanischen Stand-Up-Comedienne Tig Notaro. Sie wurde über Nacht mit ihrem Auftritt im Largo Theater, Los Angeles, bekannt, bei dem sie ihrem Publikum während der Begrüßung mitteilte, dass sie an Brustkrebs erkrankt ist. Dieser mutige Auftritt brachte ihr eine Grammy-Nominierung ein. "Tig" zeichnet ihr Leben nach diesem denkwürdigen Auftritt im Stil einer Fernsehdokumentation nach.
Tig wurde von einem jungen Frauen-Team geschrieben, gefilmt und produziert. Kristina Goolsby, Ashley York und Jennifer Arnold haben aus dem authentischen Material einen sehenswerten Film geschaffen, der Tig Notaros Leben vor und hinter der Bühne dokumentiert.
Erscheinungsdatum: 2015 (USA)
Regie: Kristina Goolsby, Ashley York
In den Hauptrollen: Tig Notaro
Laufzeit: 95 Minuten
Genre: Dokumentarfilm
IMDb: 7,5/10
www.imdb.com
Still Alice - Mein Leben ohne Gestern
Erzählt wird die Geschichte einer renommierten Linguistikprofessorin, die kurz nach ihrem 50. Geburtstag die Diagnose Alzheimer erhält. Nach und nach verändert sich ihr Leben: Sie muss ihren Universitätsjob aufgeben, sie verwechselt Namen und Personen, sie vergisst die Ereignisse vom Vortag. Durch verschiedene Methoden versucht sie, ihre Normalität und ihre Unabhängigkeit so lange wie möglich zu erhalten.
Die Darstellerin von Alice, Julianne Moore, hat für ihre Leistung zahlreiche Preise erhalten, darunter den BAFTA-Award, den Golden Globe und den Oscar.
Erscheinungsdatum: 05.03.2015 (USA, Frankreich)
Regie: Richard Glatzer, Wash Westmoreland
In den Hauptrollen: Julianne Moore, Kristen Stewart, Kate Bosworth
Laufzeit: 99 Minuten
Genre: Drama
IMDb: 7,5/10
Zur Filmwebseite: www.stillalice.de
Die Schüler der Madame Anne
Der Film, der eine wahre Begebenheit erzählt, handelt von einer engagierten Geschichtslehrerin, die am Gymnasium Léon Blum unterrichtet. Die Schule liegt im Pariser Vorort Créteil, einem sozialen Brennpunkt. Die 10. Klasse ist ethnisch gemischt, undiszipliniert und desinteressiert. Das ändert sich, als sich Madame Gueguen entschließt, die Schüler_innen beim Studienwettbewerb "Widerstand und Deportation" anzumelden. Die Herausforderungen des Wettbewerbs schweißt die Klasse zusammen und lässt die Schüler_innen ihre Talente entdecken.
Marie-Castille Mention-Schaar hat diesen Film mitgeschrieben, produziert und Regie geführt. Für ihre Leistung wurde sie beim St. Louis International Film Festival ausgezeichnet. Ariane Ascaride spielt die gleichermaßen unbeirrbare wie verständnisvolle Geschichtslehrerin.
Erscheinungsdatum: 05.11.2015 (Deutschland)
Regie: Marie-Castille Mention-Schaar
In den Hauptrollen: Ariane Ascaride, Ahmed Dramé, Noémie Merlant
Laufzeit: 105 Minuten
Genre: Drama
IMDb: 6,9/10
Zur Filmwebseite: www.madameanne.de
Anderswo
"Anderswo" erzählt die Geschichte von Noa, die ihre Heimat Israel verlassen hat, um in Berlin zu studieren. Als sie das angestrebte Stipendium für ihre Dissertation über unübersetzbare Wörter nicht erhält, verlässt sie Berlin und ihren deutschen Freund, um Distanz zu gewinnen und ihre Familie in Israel zu besuchen. Die Freude über den Ortswechsel und das Wiedersehen mit ihrer Familie währt nur kurz. Bald bestimmen die üblichen Querelen das Zusammenleben, und alles wird noch komplizierter, als ihr Freund am Nationalen Erinnerungstag unangemeldet auftaucht. Erneut muss Noa sich fragen, wer sie ist und wo sie hingehört.
Die israelische Regisseurin Ester Amrami hat mehrere internationale Preise für ihren Film "Anderswo" erhalten, zum Beispiel "Forum of Independents"- Award des IFF Karlovy Vary und auf der Berlinale.
Erscheinungsdatum: 29.01.2015 (Deutschland)
Regie: Ester Amrami
In den Hauptrollen: Neta Riskin, Golo Euler, Hana Laslo
Laufzeit: 82 Minuten
Genre: Tragikomödie, Komödie
IMDb: 6,6/10
Zur Filmwebseite: anderswo-film.com
Ausblick
Filmfans konnten 2015 viele gute Filme über Frauen und ihre Schicksale in den Kinos genießen. Auffallend ist die hohe Quote von neuen Filmen mit biografischem oder autobiografischem Hintergrund - ein Trend, der schon bei der Oscarverleihung zu erkennen war. Obwohl Frauen die Hälfte der Weltbevölkerung ausmachen, werden Rollen in globalen Filmen noch viel zu wenig von Frauen besetzt. Diese Unterbesetzung zeigt eine Studie des Geena Davis Institut on Gender, in der 130 Filme ausgewertet wurden. Lediglich 31 Prozent aller Charaktere, die einen Sprechanteil in einem Film haben, sind Frauen. Zudem wurden nur 23 Prozent der Filme mit Frauen in der Hauptrolle besetzt und nur 7 Prozent führten Regie. Oft wurden Frauen in Filmrollen ausschließlich als Sexobjekt mit einer unterordneten Rolle repräsentiert. Das zeigt, dass die Filmbranche noch immer eine männerdominierte Welt ist. Doch mit Filmen wie Carol, Joy und Co. zeigen Frauen ihre starke Wirkung, die sich in der kommenden Generation immer weiter manifestieren wird. In Zukunft werden noch mehr Filme von Frauen über Frauen in die Kinos erscheinen. Denn auch wenn starke Frauen ein beliebtes Sujet sind, könnten Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen noch deutlich stärker vertreten sein.
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Claudia Lenssen, Bettina Schoeller-Bouju (Hrsg.) - Wie haben Sie das gemacht? Aufzeichnungen zu Frauen und Filmen (2014)
Das Kompendium achtzig facettenreicher Erfahrungs- und Lebensgeschichten von Frauen hinter und vor der Kamera, am Schneidetisch und in der Produktion, lehnt sich bewusst an diese InsiderInnen-Frage an, die auf Truffauts berühmte Befragung Hitchcocks anspielt
Gender Bias without Borders. An Investigation of Female Characters in Popular Films across 11 Countries. Diskriminierung gegen Frauen in der globalen Filmindustrie - erste weltweite Studie Ob Geschlechterungleichheit in populären Filmen ein US-amerikanisches oder weltweites Phänomen ist, war die Ausgangsfrage für die Untersuchung, deren Ergebnisse das Geena Davis Institute on Gender in Media, UN Women und die Rockefeller Stiftung Ende September 2014 präsentierten. Darin wird bei deutschen Filmen die Sexualisierung der weiblichen Charaktere als überdurchschnittlich hoch eingeschätzt. (14.10.2014)
Erster Diversitäts-Bericht des Bundesverbandes Regie - Analysen zur Regievergabepraxis in den fiktionalen Primetime-Programmen von ARD und ZDF sowie Genderreport zum deutschen Kinofilm (15.01.2015)
Integrität vs. Solidarität – Die Darstellung weiblicher Führungskräfte in Film und Fernsehen "Karrieresüchtig, machtversessen, einsam? Die Darstellung weiblicher Führungskräfte in Film und Fernsehen", so der Titel des von von Antonia Roeller in der Master School Drehbuch EDITION erschienenen eEssays.
Weitere Informationen:
Die Studie "Gender Bias without Borders. An Investigation of Female Characters in Popular Films across 11 Countries"
UN-Women - deutscher Kurztext der Studie (pdf)
Geena Davis Institute on Gender in Media
www.sundance.org
www.UNWomen.org
www.Rockefellerfoundation.org
www.verbandderfilmarbeiterinnen.de
www.WomenMakeMovies.com
www.frauenmachenfilm.wordpress.com
www.womenandhollywood.com
www.Frauenfilmfestival.eu
Women in Film and Television Germany
www.proquote-regie.de
www.frauenmachenfilme.de
Der Bechdel-Test
Die im April 2014 mit dem 625.000 US-Dollar dotierten MacArthur Award ausgezeichnete amerikanische Cartoonistin Alison Bechdel lässt in ihrem Comicstrip Dykes to Watch Out For eine Frau sagen, sie sehe sich Filme grundsätzlich nur dann an, wenn sie drei Bedingungen erfüllen: 1. Es müssen mindestens zwei Frauen vorkommen. 2. Die Frauen müssen miteinander reden, und das – 3. – nicht nur über Männer.